Illegale Gewohnheiten bei Güterverkehr und Personalpolitik

© Falco Zanini

Der Autor dieses Artikels, Falco Zanini, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren beruflich mit den Auswirkungen und Hintergründen, indem er fachkompetent berät und Schulungen anbietet. Einige der grundlegenden, neuen Fakten und Entwicklungen beschreibt er nachfolgend.

Die Überschrift mag für manchen Kollegen zunächst ohne Zusammenhang sein. Doch dieses sind die beiden Themen, die seit einiger Zeit die Branche umtreiben und für zahlreiche Diskussionen online und auch im Catering sorgen. Diese beiden Bereiche haben bereits zu einigen gravierenden Veränderungen in unserer Branche geführt und werden noch mehr verändern.

Seit dem 11. April 2007 gilt in Deutschland die EU-Verordnung EG 561/2006, die nach über 20 Jahren die Rechtsgrundlagen für das Fahrpersonal im Straßengüterverkehr auf neue Räder gestellt hat. Da diese Verordnung den Bereich LKW-fahren ab 3,5t zulässige Gesamtmasse regelt und Deutschland Fahrzeuge zur Beförderung von Gütern aber schon ab 2,8t zGm  kennt, mussten anschließend die Fahrpersonalverordnung und das Arbeitszeitgesetz geändert werden. Im August 2008 folgte dann der neue, über 50-seitige, Bußgeldkatalog. 

Grundsätzlich behandeln die Vorschriften jeden, der ein „Fahrzeug zur Beförderung von Gütern“ fährt, als Fahrpersonal. Das Fahrpersonal muss 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche nachweisen, wo, wann, womit und wenn nicht, wieso, gefahren wurde. Dies auch, wenn ein Fahrzeug nur ab und zu gefahren wird.

Neu in den Vorschriften ist eine HöchstARBEITSzeit. Diese beträgt in einer Woche 60 Stunden und in dieser dürfen maximal 56 Stunden gelenkt werden. Alt hingegen und kaum bekannt ist die Doppelwoche. In zwei jeweils laufend zusammenhängenden Wochen dürfen höchstens 90 Stunden gelenkt werden. Habe ich also in der ersten Woche 56 Stunden gelenkt, kann ich in der zweiten Woche mit 34 verbleibenden Stunden ein Problem bekommen und in der dritten Woche erst recht. Diese Wochen hängen fortlaufend zusammen: W1 + W2, W2 + W3, W3 + W4 usw.

Die „Handwerkerregel“ – Nachweis über nachweisfreie Zeiten

Häufig wird über die sogenannte Handwerkerregel diskutiert. Diese besagt, dass Fahrer ihre Lenkzeiten NICHT aufzeichnen müssen beim Lenken von Fahrzeugen, die zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen verwendet werden, die der Fahrer zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt, soweit das Lenken nicht die Haupttätigkeit des Fahrers darstellt. Unter 3,5t zGm kann dieses Fahrzeug ohne Begrenzung fahren, jedoch ist ab 3,5t zGm zu beachten, dass das Fahrzeug eine Zone von 50Km um den Standort des Unternehmens herum nie verlassen darf!

Dennoch muss der Unternehmer, der solche Fahrten veranlasst, trotzdem den Fahrern Nachweise über die nachweisfreien Zeiten ausstellen. Dies klingt paradox, ist aber so gewollt, denn wie oben beschrieben,  muss ein Fahrer 365 Tage im Jahr nachweisen können, was er gemacht hat. Die Form des Nachweises ist EU-weit festgelegt und das Formular findet sich auf der Seite des Bundesamts für den Güterverkehr www.bag.bund.de unter Service. Im Falle des Fehlens der Nachweise kann an den Fahrer ein Bußgeld von mindestens 75€ pro Tag verhängt werden.

Nach dem Bußgeldkatalog könnte der Unternehmer, der diesen Verstoß zugelassen hat, ebenfalls ein Bußgeld aufgebrummt bekommen. Dieses würde mit 250€ pro Tag zu Buche schlagen. Grundsätzlich können alle Fahrerverstöße auch für den Unternehmer teuer werden. Zusätzlich werden Bußen von mehr als 200€ ins Gewerbezentralregister eingetragen und belasten die gewerbliche Zuverlässigkeit.

Dass ein Unternehmer seine Fahrer schulen muss, sollte keine besondere Erwähnung finden, ist zusätzlich aber vorgeschrieben.

Auch bei Mietfahrzeugen Tachographen auslesen

Ein anderer, beliebter Diskussionspunkt ist der Einsatz von Mietfahrzeugen. Entgegen weit verbreiteter Meinungen muss der Unternehmer, der ein Fahrzeug anmietet, auch hier die Daten aus dem digitalen Tachographen auslesen. Dazu muss er bei Übernahme des Fahrzeugs seine Unternehmerkarte stecken und das Fahrzeug auf sein Unternehmen anmelden. Danach kann der Fahrer seine Fahrerkarte stecken und losfahren. Vor Abgabe des LKW muss dann wieder die UN-Karte gesteckt werden. Als nächstes zusätzlich der Download-Key und anschließend muss ein Download der Daten aus dem Tacho die Anmietung betreffend durchgeführt werden. Diese Daten muss der Unternehmer anschließend speichern und für ein Jahr archivieren. Verstöße gegen diese Vorschrift werden mit 750€ pro Fahrzeug und pro Tag geahndet.

Viel gravierender allerdings sind die grundsätzlichen Regelungen für den Güterverkehr. Was haben denn nun die Rechtsgrundlagen für den Güterkraftverkehr mit unserer Branche zu tun? Wir fahren doch nur unsere eigenen Ausrüstungen und sind keine Berufskraftfahrer oder gar Spedition. In vielen Köpfen steckt dieser Glauben tief verwurzelt und führt zu besagten Diskussionen.

Keine Freelancer hinters Steuer

Grundsätzlich betreiben wir in der Veranstaltungstechnik Güterkraftverkehr im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes, allerdings in einer Sonderform namens „Werkverkehr“. Dieser ist in § 1, Absatz 2 GüKG geregelt, in dem sich auch die Bedingungen hierfür finden. Dort unter Punkt 3 steht der entscheidende Punkt: „Die für die Beförderung verwendeten Kraftfahrzeuge müssen vom eigenen Personal des Unternehmens geführt werden oder von Personal, das dem Unternehmen im Rahmen einer vertraglichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt worden ist.“

Damit ist ganz ausdrücklich angestelltes Personal gemeint! Der zweite Halbsatz legalisiert nicht den „Freelancer“, bzw. selbständigen Unternehmer, der LKW seines Auftraggebers führt, sondern erlaubt nur die bisher lediglich geduldete Praxis, sich eines Zeitarbeiters zu bedienen.

Hier wird einer der maßgeblichen Glaubenssätze unserer Branche infrage gestellt, bzw. unmöglich gemacht: die bisherige Praxis, den freien Techniker auch gleich den LKW seines Auftraggebers mit dessen Material zur Produktion fahren zu lassen. Dieses ist unmöglich und illegal! In der Praxis wurden bereits Bußgelder von jeweils mehreren Tausend Euro an den Fahrer (=Spediteur) und den Auftraggeber verhängt.

Die Rechtsquellen greifen perfekt ineinander

Die verschiedenen Rechtsquellen greifen hier auch perfekt ineinander. Für den Gesetzgeber ist im Rahmen der Fahrpersonalvorschriften der Unternehmer derjenige, an den sich die Vorschriften zum Stecken der Unternehmerkarte richten. Ein selbständiger Techniker ist ein selbständiger Einzelunternehmer. Transportiert er also Material eines anderen Unternehmers in einem Fahrzeug dieses anderen Unternehmers, müsste er seine UN-Karte stecken, anschließend seine Fahrerkarte. Damit betreibt er gewerblichen Güterkraftverkehr im Sinne des § 1, Abs. 1 GüKG. Der wiederum ist erlaubnispflichtig (und anmeldepflichtig) nach § 3 GüKG und folgende.

Jetzt könnte ein Einzelunternehmer auf die Idee kommen, sein Geschäftsmodell auszuweiten und nach der Berufszugangsverordnung (GBZugV) vorgehen. Kurz gesagt müsste er eine Fachkundeprüfung vor der IHK ablegen, die er idealerweise durch einen entsprechenden Kurs vorbereitet. Er muss seine finanzielle Leistungsfähigkeit und gewerbliche Zuverlässigkeit beweisen, eine Transportversicherung nach GüKG abschließen und eine EU-Lizenz beantragen. Aber selbst dann benötigt er noch ein eigenes Fahrzeug, mit dem er die Transporte durchführen kann.

In der laufenden Rechtsprechung wird seit Jahren dieses Prinzip immer wieder bestätigt. Es existieren mehrere Urteile verschiedener Gerichte, in denen das Thema „selbständiger Fahrer ohne eigenes Fahrzeug“ laufend zu Ungunsten des Fahrers, bzw. seines Auftraggebers geklärt wird. Zuletzt in Bayern im letzten Jahr.

Gesetzeskonform wäre ein Unternehmen, wenn es beispielsweise die Techniker für die Dauer der Produktion befristet anstellen würde. Oder es würde auf Zeitarbeitspersonal aus der Branche zurückgegriffen. Hier hat sich in den letzten Monaten sehr viel getan.

Weisungsgebundene Tätigkeiten sind scheinselbständig

Dieser Umbruch begann anlässlich des Vorgehens der Rentenversicherung  bei einem großen Infrastrukturdienstleister und setzte sich fort bei einem Fall in Bayern vor drei Jahren, bei dem die bislang übliche Praxis, selbständige Helfer/Hands/Bühnenhelfer zu vermitteln, vor Gericht kam. Während des langen Verfahrens wurde festgestellt, dass weisungsgebundene Tätigkeiten, wie z.B. bei einem Hand, nicht auf selbständiger, bzw. gewerbetreibender Basis durchgeführt werden können. Es handelt sich dabei um Scheinselbständigkeit. In dem einen Fall musste fast eine Million Euro bezahlt werden, in dem anderen wurden ebenfalls eine Geldstrafe und ein Haftbefehl ausgesprochen.

Daraufhin warnten beide Veranstalter-Verbände ihre Mitglieder vor der bisherigen Praxis. Anfang letzten Jahres, begleitet von Hausdurchsuchungen im Süden der Republik bei einem großen, überregionalen Dienstleister, Technikern und Hands, gründeten bekannte Stagehand-Agenturen neue Zeitarbeitsunternehmen für die Veranstaltungsbranche.

Mit dieser Normalisierung der Beschäftigungsverhältnisse steigen für die Kunden natürlich die Einkaufspreise. Durch die große Zahl von Pflichten, die der Verleiher erfüllen muss, den erhöhten Aufwand und vor allem den in der Zeitarbeit anzuwendenden Tarifverträgen steigen die Stunden-Verrechnungssätze bei Hands bis über 20 Euro, während in manchen Orten immer noch Techniker für unter 200 Euro Tagessatz auf die Produktionen gehen.  Für die Kunden und alle Gewerke verändern sich viele alte Gewohnheiten radikal. Nun läuft da nicht mehr irgendeine Helfer-Crew herum, sondern es handelt sich um eigene Angestellte, für die die gesamte Arbeitsschutzverpflichtung  ausgeübt werden muss. Die Entleiher sind nun in der Pflicht, „ihren“ Angestellten eine Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren und nach spätestens sechs Stunden Arbeit eine Pause einlegen zu lassen. Ebenso müssen die Entleiher dem Verleiher nun vorher ausreichende Information über den Einsatz geben  und „ihr“ Personal ordnungsgemäß anleiten.

Bei alledem fragt sich so mancher sicher, wo denn nun der „normale“ Techniker steht. Ist er weisungsgebunden? Arbeitet er nach Plänen und hat somit keinen eigenen Handlungsspielraum? Ist ein „fester Freier“, der 10 Monate im Jahr für dieselbe Firma gewerblich tätig ist, noch frei? Bei allen Fällen, die in verschiedenen Arbeitskreisen kursieren, scheint sich ein Grundsatz herauszustellen nach dem Motto „je mehr Weisung, desto weniger selbständig“, obwohl verschiedentlich durchaus unterschiedliche Bewertungen getroffen werden. Langfristig wird allerdings auch die Zunft der freien Techniker nicht um eine Neubewertung ihrer sozialrechtlichen Einstufung herumkommen.

Das deutsche Arbeitsrecht ist nicht so unflexibel, wie es scheint. Es kennt einige Flexibilisierungen, wie z.B. Minijob bis 450€, Gleitzone bis 850€, Teilzeit, das Ganze auch noch mit  Zeitkonten und projektbezogener Befristung. Die in unserer Branche tägliche Pflicht zur Innovation wird beim Thema gesicherte Arbeitsverhältnisse offenbar häufig ausgehebelt. Bei manchen Firmen wird anscheinend arbeitstäglich das Ende befürchtet – und das schon seit Jahren.

Derzeit scheinen sich die Kontrollbehörden vornehmlich auf Stagehands und deren Agenturen sowie deren Kunden eingeschossen zu haben. Doch diese Veränderungen sollten zum Nachdenken über so manche liebgewordene Gewohnheit anregen. In der Kürze dieses Artikels konnten natürlich nur die wesentlichsten Entwicklungen vorgestellt werden.

Über den Autor Falco Zanini:

Seit 1980 ist Falco Zanini bereits in der Veranstaltungsbranche tätig. Er begann als Stagehand im damals größten Live-Club Deutschlands, der Rotation in Hannover. Schnell stieg er zum Crewchef auf und entdeckte seine Vorliebe für Personalarbeit, Organisation und Koordination. Nach einer Reise durch fast alle Gewerke und Tourneen quer durch Europa führte er von 1994 bis 2001 einen der größten Personallogistikanbieter in Deutschland. Während dieser Zeit war er maßgeblich an der Professionalisierung dieser Dienstleistung beteiligt.

Nach der Fortbildung zum Betriebswirt IHK schloss er außerdem als Meister für Veranstaltungstechnik (Bühne/Studio) ab. Zusätzlich verfügt er u.a. über die Qualifikation als Fachkraft für Arbeitssicherheit. In seiner täglichen Arbeit vereint er dieses Wissen bei Veranstaltungen aller Art als Verantwortlicher für Veranstaltungstechnik, Koordinator, technischer Leiter und Berater. Ebenso erstellt er ganzheitliche Sicherheitskonzepte und betreut namhafte Firmen der Branche nach den gesetzlichen Anforderungen im Arbeitsschutz mit Augenmaß. Fragen beantwortet Falco Zanini gerne unter info@falco-zanini.de.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Firmenzeitschrift Equipment. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.eventshop.info