JoJo Tillmann: „Nutze die Dunkelheit“

© Chris Cuhls JoJo Tillmann

Für das Fachbuch „Events wirkungsvoll inszenieren“ hat der Ablaufregisseur Chris Cuhls den Lichtdesigner JoJo Tillmann zu den Prinzipien der Licht-Inszenierung interviewt. Hier ein exklusiver Auszug.

Jojo, du bist lange Jahre im Live-Touring und der Industrie unterwegs: Was macht eine wirkungsvolle Showinszenierung für Dich aus?
Wirkungsvolle Inszenierung lebt von Überraschung. Allerdings kann Licht echte Überraschungen nicht alleine in Szene setzen. Daher ist für mich, nach meinem Verständnis von Design, das Allerwichtigste das perfekte Zusammenspiel von Licht, Bühnenperformance der Akteure und dem Audioerlebnis.

Da muss ich nachhaken: Wie sieht eine gute Überraschung für Dich aus?
Ein überraschender Moment entsteht aus einer Art Enttäuschung des Publikums – aber einer sorgfältig inszenierten Enttäuschung. Es geht darum, etwas zu präsentieren, das nicht erwartet wird. Überraschung kann daher auch bedeuten, das nichts passiert! Ein Beispiel: Auf der Bühne brennt eine Lampe, der Rest ist dunkel. Auf einmal öffnen sich neue Räume, und eine immense Licht-Materialschlacht wird entfesselt. Das imponiert sowohl in dieser Version als auch umgekehrt – wenn alle Technik verschwindet, der Raum schrumpft und nur ein Licht am Ende bleibt. Meistens überzeugt eine pointierte Auswahl aus dem Spektrum der Optionen.

Was sind Deine Prinzipien der Lichtgestaltung?
Erstens: Nutze die Dunkelheit – es wird gewöhnlich viel zu viel Licht benutzt. Zweitens: Fördere die Enthaltsamkeit, denn oft werden Stilmittel zu übertrieben eingesetzt. Und Drittens: Folge der Intuition und lass dich nicht beirren, sondern setze dich ein für das, was du denkst, was richtig ist. Setze dich aber auch kritisch mit den Meinungen anderer auseinander.

„Inszenierung muss dem Ausprobieren standhalten – daran glaube ich.“

Brauchen wir mehr Mut zu Fehlern?
Eine Show nur mit Fehlern, aber das als Konzept, das wünsche ich mir manchmal. Gerade wenn es um das Öffentliche geht, gibt es zu wenig Kür, weil die Pflicht sich in der Bewertung am meisten auszahlt. Die Pflicht gibt Sicherheit, die Kür öffnet dagegen die Tore für Kritik, deshalb sind die Inhalte oft zu technisch. Mit zwei Stati von Lichtstrahlen, parallele und nicht-parallele, basteln wir uns alle Bilder. Da fehlt die Freiheit! Licht-Design als Form der Kunst eröffnet weitaus mehr nutzbaren Raum für Kreativität.

Wo lässt Du Dich zu innovativen Lösungen inspirieren?
Anregungen begegnen mir oft in ganz alltäglichen Situationen. Vor kurzem habe ich auf einer Baustelle viele – wie zufällig zusammengestellt wirkende – Leuchtstoffröhren gesehen und dachte mir auf einmal: Das ist eine Installation, wie ich sie gerne mal auf der Bühne haben würde. Ein anderes Beispiel: Bei einer Messe habe ich mal beim Aufbau alle Lichtquellen der Dekoration offen liegen sehen, als noch keine schönen Blenden davor waren. Da war nur dieser „Rohbau“, die Installationskabel, die ihre Funktion, aber auch ihre Muster und ihren Rhythmus haben. Kabel und Technik gehören immer zum Licht. Dieser „unverkleidete“ Moment auf der Messe war für mich pure Inspiration – dieses Glatte, voll Eingekleidete, Fertige gefällt mir nämlich gar nicht immer so gut. Das ist für mich zwar Pflicht, aber da fehlt mir noch die Kür. Ich suche mir Lampen nicht nur nach ihrer Funktion aus, sondern auch nach ihrem äußeren Design.

Wie gehst Du mit Kritik um?
Ich genieße Kritik. Auch wenn jemand eine kontroverse Meinung hat und mir diese – basierend auf seinem Wissen und Erfahrung – begründet. Leider sind alle Berichte in Fachzeitschriften, die es gibt, ausschließlich technischer Natur. Ja, es gibt viel Lobhudelei – aber zur inhaltlichen Licht-Inszenierung kenne ich nicht ein kritisches Wort. Dabei bringen wir Lichtdesigner kreative Leistung. Dass das Interesse daran so gering scheint, ist mir ein Rätsel.

„Oft bin ich nicht nur Designer sondern auch Operator. Schön ist es, wenn ich jeden Tag Lust habe, diesen Cue zu drücken. Weil es mir gefällt. Weil er mir schmeichelt.“

Welche Rahmenbedingungen benötigst Du, damit Du als Lichtdesigner einen guten Job liefern kannst?
Ich brauche genügend Zeit. Das ist das wichtigste, das gilt für alle Typen einer Veranstaltung, egal ob es Industrie- oder Konzeptdesign ist. Gleich an nächster Stelle folgt: ausreichend Crew. Das wird häufig vernachlässigt, wenn aufgrund von Sparzwängen wieder eine Person zu wenig ist. Ich will, dass die Crew einen guten Arbeitstag hat, statt den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, und abends dann perfekt funktionieren muss. Auch Verlässlichkeit ist sehr wichtig. Ich selbst versuche immer, so klar wie möglich zu kommunizieren und meine Wünsche und Vorstellungen zu sagen. Das ist mein Verständnis von Fairness.

Wie lautet Dein Anspruch an Deine Arbeit?
Der Versuch, immer ein bisschen was Neues zu machen und ein kleines Wagnis einzugehen, das treibt mich an. Jupiter Jones sind zum Beispiel mit verkupferten Satellitenschüsseln auf ihrer Bühne unterwegs – bei diesem Projekt habe ich dann mit der Kupferfarbe experimentiert. Das erfüllt meine eigene Ansprüche.

Du hast für eine Dekade das Lichtdesign von a-ha designed. Was ist Dir hängen geblieben?
Wir haben zehn Jahre zusammengearbeitet und dabei Höhen wie Tiefen gemeinsam erlebt. Durch die a-ha-Shows hatte ich die Möglichkeit, Impulse zu setzen. Teil meiner Arbeit ist es ja auch immer, mein Know-how jüngeren Kollegen zur Verfügung zu stellen. Gerade bei a-ha habe ich Leute an ihre Arbeit herangeführt, die heute sehr gute Lichtdesigner sind. Ich bin kein Geheimniskrämer, ich kommuniziere und erkläre gerne. a-ha hat mir die Möglichkeit gegeben, große Bilder, große Lichtskulpturen zu entwickeln – Inspiration für andere. Ich denke, ich habe da schon eine sehr aktive Generation von Lichtdesignern mit geprägt.
 
Wo geht die Reise im Bereich Lichtdesign in den nächsten zehn Jahren hin?
Ich verfolge es jetzt seit dreißig Jahren – die Zeitachsen werden immer kompakter, die Erwartungshaltungen immer höher, das Geld immer knapper. Das hat gar nichts damit zu tun, mit welcher Technik wir arbeiten. Denn werden die Lampen auch kleiner und sparsamer, aufs Ganze gesehen wird der Aufwand nicht weniger. Wo Energie eingespart wird, wird sie an anderer Stelle verschwendet. Die Lampen sind vielleicht leichter und leiser, aber solche komplexen Teile haben einen hohen Stromverbrauch und sind schwierig in der Entsorgung. Der Reduzierung, die ich mir wünschen würde, rechne ich derzeit sehr wenig Chancen aus. Eigentlich kann man nicht akzeptieren, einen Messestand zu haben, der drei oder vier Gigawatt pro Stunde verbraucht – und gleichzeitig wird ein Green-Diesel oder ein sparsames Elektroauto präsentiert.

JoJo Tillmann ist Lichtkünstler und Showdesigner. Als Lichtdesigner für Bands wie a-ha, Cat Stevens, Santana und Adel Tawil sammelte er über 30 Jahre lang Erfahrungen, hat aber auch für Industrie-Events wie die CeBit Messestände mit Licht geformt. Um sich dem Licht mehr über den Inhalt und weniger über die Technik zu nähern, hat er das Künstler-Netzwerk LesUrbanProgressives gegründet.

www.jojotillmann.de

Chris Cuhls ist als Eventregisseur und Konzeptioner für namhafte Firmenevents weltweit tätig. Auf seinem Blog ablaufregisseur.de formuliert er die Prinzipien hinter wirkungsvollen Inszenierungen. Gemeinsam im Team setzt er besondere Momente um – ob bei Shows, Messen oder Konferenzen. Kürzlich ist sein Buch „Events wirkungsvoll inszenieren“ erschienen.

www.ablaufregisseur.de