Herausforderung Funkfrequenzen: Wie sieht die Zukunft für PMSE-Anwender aus?

Prä­si­di­um der Bundesnetzagentur: Vizepräsident Dr. Wilhelm Eschweiler, Präsident Jochen Homann und Vizepräsident Peter Franke

Rechtsanwalt Helmut G. Bauer von der Initiative SOS – Save our spectrum interviewte ausführlich die Bundesnetzagentur und bewertet die neusten Entwicklungen zum Thema Funkspektrum.

Die Nutzer von PMSE stehen spätestens seit der Digitalen Dividende 2 vor großen Herausforderungen und viele Anwender stellen sich die Frage, wie es langfristig weitergehen wird. Wird auch in Zukunft der Bedarf an Frequenzen gedeckt werden und genügend Kapazitäten für den Einsatz von drahtlosen Produktionsmitteln zur Verfügung stehen? Die Bundesnetzagentur hat dazu in einem ausführlichen Interview auf die Fragen der SOS-Initiative geantwortet.

Interview mit der Bundesnetzagentur

SOS: Die Präsidentenkammer hat im Zusammenhang mit ihrer Entscheidung über die Versteigerung des 700 MHz- Bandes festgestellt, dass für die drahtlosen Mikrofone in der Summe 440 MHz zur Nutzung bzw. Mitnutzung zur Verfügung stehen.Was hat sich an dieser Situation inzwischen verändert?

Bundesnetzagentur: Seit der letzten Präsidentenkammerentscheidung hat die Bundesnetzagentur für Funkmikrofone weiteres Spektrum in den Frequenzbereichen 1350-1400 MHz und 1518-1525 MHz bereitgestellt. Zudem hat sich die Bundesnetzagentur erfolgreich für deren internationale Harmonisierung eingesetzt (siehe ERC-Empfehlung 25-10 und ERC-Empfehlung 70-03).

Die mögliche zukünftige Verfügbarkeit von zusätzlichem Spektrum für Funkmikrofone wird in den ECC-Arbeitsgruppen FM51 und SE7 untersucht (z.B. im Frequenzbereich 960 -1164 MHz).Durch die Entwicklung von neuen und verbesserten Übertragungsverfahren für drahtlose Mikrofone (z.B. Wireless Multichannel Audio System (WMAS), ETSI TR 103 450) sind zukünftig mehr Kanäle im gleichen Spektrum nutzbar als früher. Einige PMSE-Anwendungen nutzen inzwischen auch den DECT-Standard im Rahmen der Vorgaben der DECT-Allgemeinzuteilung.

Zukünftig könnte sich eine weitere „Entlastung“ des klassischen PMSE-Spektrums durch eine Integration von PMSE-Anwendungen in der 5G-Standardisierung ergeben. Hierzu läuft derzeit auch das von der Bundesregierung geförderte Forschungsprojekt PMSE-xG. 

SOS: Die Nutzer haben kritisiert, dass die Bundesnetzagentur dabei Frequenzbereiche in die Berechnung mit aufgenommen hat, die z.B. durch Emission von Energiesparlampen gestört sind und wegen dieser Störungen nicht mehr genutzt werden können. Nicht alle Hersteller bieten deshalb für diese Frequenzbereiche noch drahtlosen Geräte an. Macht es Sinn, diese Frequenzbereiche trotzdem als für PMSE nutzbar auszuweisen?

Bundesnetzagentur: LED-Lampen, Großbildschirme, Computersysteme und andere Beschallungssysteme können bei voll ausgestatteten Bühnen bei Nichteinhaltung von Grenzwerten EMV-Störungen verursachen.

Die Bundesnetzagentur nimmt ihre Aufgaben der Marktüberwachung und Marktentnahme von Geräten nach dem EMVG gerade in diesem Bereich sehr ernst und prüft die Einhaltung der entsprechenden EMV-Richtlinien.  Störungen für Rundfunkhörer und Nutzer von drahtlosen Mikrofonen können vermieden werden, wenn Hersteller und Nutzer von Geräten darauf achten, dass die EMV-Richtlinien eingehalten werden.

Die Zuweisung der Frequenzbereiche 32,475-38,125 MHz und 174-230 MHz für drahtlose Mikrofone ist gerechtfertigt, da diese bei Einhaltung der EMV-Richtlinien an den meisten Orten störungsfrei arbeiten können, wie auch deren intensive Nutzung belegt. Zudem sind für den Bereich 174-230 MHz neu entwickelte, digitale Geräte am Markt verfügbar.

SOS: Die Duplexlücke im 800 MHz-Band wird durch Außerbandaussendungen von Handys beeinträchtigt. Welche Möglichkeiten hat die Bundesnetzagentur dafür zu sorgen, dass nur Handys auf den Markt gebracht werden, die keine Störungen verursachen?

Bundesnetzagentur: Die Grenzwerte für Außerbandaussendungen von Mobiltelefonen sind in den europäischen Normen festgelegt. Bei Mobiltelefonen mit nicht normkonformen Außerbandaussendungen besteht bei entsprechendem Nachweis die Möglichkeit der Entnahme aus dem Markt bzw. ein Vertriebsverbot.

In der Praxis wird das Risiko von Beeinflussungen von vielen PMSE-Nutzern als beherrschbar eingeschätzt, wie die Nutzung der Duplexlücke im 800-MHz-Bereich auch durch professionelle Nutzer zeigt. Auch bei durch die Bundesnetzagentur betreuten Großveranstaltungen wurden Frequenzen der Duplexlücke für professionelle Produktionsfirmen koordiniert. Zwar besteht bei sehr geringen Entfernungen zwischen einem sendenden LTE-Endgerät und einem PMSE-Empfänger tatsächlich die Möglichkeit von Störungen in den Randbereichen der Duplexlücken. Im CEPT-Bericht 50 und dessen Addendum sind jedoch Maßnahmen beschrieben, wie mit diesen Beeinflussungen umgegangen werden kann.

SOS: Die Präsidentenkammer hat in der genannten Entscheidung in Aussicht gestellt, dass auch die Duplexlücke im 700 MHz-Band für drahtlose Produktionsmittel zur Verfügung steht. Besteht eine realistische Chance, dass dies der Fall sein wird? Wer trifft die Entscheidung?

Bundesnetzagentur: Für Funkmikrofone können auf Antrag größere Teilbereiche aus dem Frequenzbereich 470-823 MHz zugeteilt werden (VVnöml (B.9.2.2)). Hierzu zählt auch der Frequenzteilbereich der Duplexlücke im 700-MHz-Band. Unter der Voraussetzung, dass keine primären Funkdienste gestört werden, kann der Zuteilungsinhaber die Betriebsfrequenzen aus den zugeteilten Teilbereichen selbst auswählen.

SOS: Die Bundesnetzagentur hat im Jahr 2008 von der Leibnitz-Universität Hannover untersuchen lassen, wie groß der Frequenzbedarf in Berlin-Mitte ist. Mit welchen Daten arbeitet die Bundesnetzagentur, wenn sie heute darüber entscheidet, wie viel Spektrum für den Einsatz von drahtlosen Produktionsmitteln verfügbar sein muss?

Bundesnetzagentur: Zur Abschätzung des notwendigen Frequenzspektrums berücksichtigt die Bundesnetzagentur die Rückmeldungen der Nutzer und Hersteller von drahtlosen Produktionsmitteln. Zusätzlich wird die Statistik der Frequenzzuteilungen in den Bereichen Durchsage- und Reportagefunk ausgewertet. Weitere Hinweise zur Frequenznutzung werden aus den Auswertungen der Messungen des Prüf- und Messdienstes der Bundesnetzagentur gewonnen. Bei Großereignissen mit besonders hohem Bedarf an Spektrum führt zudem die Bundesnetzagentur die Frequenzkoordinierung durch, so dass eine umfangreiche Expertise zur Einschätzung des Spitzenbedarfs und zu Maßnahmen für dessen Deckung besteht. Untersuchungsergebnisse zum Frequenzbedarf von PMSE sind auch in Berichten internationaler Arbeitsgruppen verfügbar, z.B. im ECC-Bericht 204.

Der Bedarf an Spektrum für drahtlose Produktionsmittel hat sich durch die zunehmende Anzahl von Produktionen und die höheren Qualitätsanforderungen an die Audio- und Videoqualität in den letzten Jahren erhöht. Anderseits kann durch die Nutzung neuer und verbesserter Übertragungsverfahren durch drahtlose Mikrofone das vorhandene Spektrum zukünftig effizienter genutzt werden, was eine größere Anzahl paralleler Funkmikrofonverbindungen im selben Frequenzbereich ermöglicht. Im Hinblick auf diese Erkenntnisse der Bundesnetzagentur und die Tatsache, dass bei der Bundesnetzagentur seit der Auktion der Mobilfunkfrequenzen im Jahr 2015 keine signifikanten Engpässe oder Störungen – auch nicht bei Großereignissen – bekannt geworden sind, geht die Bundesnetzagentur von einer aktuell ausreichenden Frequenzausstattung für drahtlose Produktionsmittel aus.

SOS: Großveranstaltungen oder parallel stattfindende Veranstaltungen an einem Ort, wie die Bundestagswahl und der Berlin Marathon 2017, haben einen großen Spektrumsbedarf für Funkmikrofone und andere drahtlose Geräte. Wie können in Zukunft solche Ereignisse realisiert werden, wenn das 700 MHz-Band nicht mehr zur Verfügung steht?

Bundesnetzagentur: Sportereignisse, Messen, Kongresse, Konzerte, Staatsbesuche und andere Großveranstaltungen stellen an das Frequenzmanagement für sämtliche Funkanwendungen (PMSE, Rundfunk, BOS Digitalfunk, Betriebsfunk, Mobilfunk) hohe Anforderungen.

Die Bundesnetzagentur vertritt die Auffassung, dass mit dem zur Verfügung stehenden Spektrum für PMSE, ggf. ergänzt durch Kurzzeitzuteilung von zusätzlichen Frequenzen, der Spektrums-bedarf für Großveranstaltungen auch zukünftig abgedeckt werden kann. Die Bundesnetzagentur setzt sich insbesondere dafür ein:

  • dass freie Fernsehkanäle unter 700 MHz auch zukünftig für PMSE nutzbar bleiben
  • dass weitere Frequenzbereiche auf die Nutzbarkeit für drahtlose Produktionsmittel untersucht und ggf. bereitgestellt werden
  • dass Hersteller und Nutzer von Geräten darauf achten, dass die EMV-Richtlinien eingehalten werden und damit das vorhandene Spektrum effizient genutzt werden kann.

SOS: Wie ermittelt die Bundesnetzagentur, welche Frequenzen für den Einsatz von drahtlosen Produktionsmitteln geeignet sind?

Bundesnetzagentur: Die Bundesnetzagentur prüft auch zukünftig, welche Frequenzen für drahtlose Produktionsmittel geeignet sind und orientiert sich dabei an den Untersuchungsergebnissen der zuständigen internationalen Arbeitsgruppen, insbesondere FM51 und SE7 der CEPT. Die Bundesnetzagentur unterstützt dabei insbesondere die internationale Harmonisierung der Frequenzbereiche für Audio- und Video-PMSE sowie die Bereitstellung von Verfügbarkeitsinformationen.

SOS: Wie viel Spektrum muss insgesamt für drahtlose Produktionsmittel verfügbar sein, um die Funktionsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft zu sichern?

Bundesnetzagentur: Das verfügbare Frequenzspektrum wird auf Basis des Frequenzplans bedarfsorientiert zur Verfügung gestellt. Dabei müssen jedoch die Interessen aller Bedarfsträger mit den verschiedensten Funkanwendungen gleichermaßen berücksichtigt werden.

Insgesamt besteht aus Sicht der Bundesnetzagentur derzeit eine angemessene Ausstattung an Spektrum für die Nutzer drahtloser Produktionsmittel. Zudem ermöglicht die fortschreitende technische Weiterentwicklung (z.B. WMAS) sowie die mögliche Integration von PMSE-Nutzungen in andere Technologien (z.B. DECT und 5G) zukünftig auch eine effizientere Frequenznutzung.

Die Bundesnetzagentur ist sich der herausragenden Bedeutung von PMSE für den Kultur- und Mediensektor bewusst und wird sich daher auch künftig für die Belange der Nutzer der drahtlosen Produktionstechnik aktiv einsetzen.

HelmutGBauer SOS
Rechtsanwalt Helmut G. Bauer

Nagelprobe Weltfunkkonferenz 2019

Kommentar von Rechtsanwalt Helmut G. Bauer

Nach der Versteigerung der 800 und 700 MHz-Bänder an den Mobilfunk stehen die Nutzer von PMSE vor großen Herausforderungen: Welche Frequenzbereiche können in Zukunft genutzt werden? Ist sichergestellt, dass diese nicht gestört werden? Können sie langfristig genutzt werden, damit sich eine Investition in neue Technik lohnt? Werden die Hersteller Geräte für neue Frequenzbereiche entwickeln?

Die Bundesnetzagentur hat dazu auf Fragen der SOS-Initiative ausführlich geantwortet und dargestellt, welche Frequenzbereiche für Funkmikrofone aktuell und in Zukunft zur Verfügung stehen. Die Antworten machen deutlich, dass die Planung von Veranstaltungen in Zukunft aufwändiger wird. An Veranstaltungsorten müssen immer mehrere Frequenzbereiche unter der Maßgabe untersucht werden, ob es für eine geplante Anwendung ausreichend störungsfreies Spektrum gibt. Dabei kann es erforderlich sein, Equipment für mehrere Frequenzbereiche vorzuhalten, um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Dies gilt insbesondere bei nomadischen Veranstaltungen.

Ob in Zukunft ausreichend Spektrum für Großveranstaltungen zur Verfügung stehen wird, wie die Bundesnetzagentur mutmaßt, darf zumindest hinterfragt werden. Nach Untersuchungen des Bayerischen Rundfunks stehen nach der vollständigen Belegung des 700 MHz-Bandes durch den Mobilfunk von ursprünglich 36 TV-Kanälen nur noch 15 freie Kanäle für Funkmikrofone zur Verfügung. Sie reichen nicht mehr für alle bisher beim Oktoberfest eingesetzten drahtlosen Mikrofone aus. Zusätzlich müssen z.B. die Bereiche 1350 – 1400 MHz und 1518 – 1525 MHz genutzt werden. Es wird eng.

Zu begrüßen ist daher, dass sich die Bundesnetzagentur weiterhin dafür einsetzt, die freien TV-Kanäle unter 700 MHz auch zukünftig für PMSE nutzbar zu halten. Die erste Nagelprobe für dieses Bekenntnis wird die Weltfunkkonferenz 2019 (WRC 19) sein. In verschiedenen Zirkeln wird bereits diskutiert, wie man erreichen kann, dass bei der WRC 19 auch noch das 600 MHz-Band auch in Europa für den Mobilfunk im Rahmen einer Digitalen Dividenden 3 geöffnet wird. Hier ist Deutschland gefragt, um im Vorfeld Allianzen mit anderen europäischen Staaten zu bilden, um einen solchen Angriff gemeinsam und rechtzeitig abzuwehren.

In vielen internationalen Gremien und Forschungsprojekten engagieren sich Hersteller bei der Suche nach geeignetem Spektrum und der Entwicklung neuer Geräte. Das Zauberwort heißt „5G“. Die Verwendung von 5G in verschiedenen Frequenzbereichen für die professionelle Produktion erscheint möglich. Sie ist aber nach wie vor nicht gesichert, da noch viele technische und regulatorische Bedingungen erfüllt werden müssen. So muss etwa sichergestellt sein, dass PMSE mit Priorität in 5G-Netzen übertragen wird. Die Alternative dazu wäre ein exklusives PMSE-Spektrum. Es wäre also voreilig, im Vertrauen auf einen positiven Ausgang dieser Untersuchungen bereits jetzt weiteres PMSE-Spektrum für andere Anwendungen freizugeben.

Da sich die Standardisierung von 5G und die Entwicklung geeigneter Geräte noch hinziehen, hat die SOS-Initiative in einer Stellungnahme gegenüber der Radio Spektrum Policy Group (RSPG) gefordert, dass das UHF-Spektrum von 470 bis 694 MHz noch mindestens bis zum Jahr 2040 für TV und Audio-PMSE zur Verfügung stehen muss. Dieser Bereich ist auch in Zukunft das Kernspektrum für professionelle Produktionen. Im Jahr 2030 soll erneut überprüft werden, ob ausreichend geeignete technische Lösungen und/oder Frequenzen für Audio-PMSE verfügbar und überall einsetzbar sind.

Das Interview und der Kommentar wurde uns freundlicherweise von Helmut G. Bauer / SOS – Save our spectrum zur Verfügung gestellt.