Beschallung bei der ECHO-Verleihung 2012

Marilyn Manson als Vertretung für Till Lindemann

Marilyn Manson als Vertretung für Till LindemannDie Verleihung des wichtigsten deutschen Musikpreises fand dieses Jahr erneut im Messepalais in Berlin statt. Neben dem Moderatorinnen-Team Ina Müller und Barbara Schöneberger sorgten dabei die Live-Performances von Künstlern wie Rammstein (mit Marilyn Manson, der für Till Lindemann einsprang),  Silbermond oder Katy Perry für eine spannende Veranstaltung.

Für die Firma EBS-Lights Veranstaltungstechnik und ihren Geschäftsführer Tobi Weiser war es dennoch eine Premiere: Sie zeichnete zum ersten Mal im Auftrag des Tontechnik-Generalunternehmers Showplan GmbH (Tobias Kühnel) als Dienstleister für die Beschallung verantwortlich.

Natürlich konnte Tobi Weiser und sein Team dabei auf einen reichen Erfahrungsschatz aus in der Vergangenheit realisierten Events vergleichbarer Größe und Güte zurückgreifen, um so optimale Lösungen für die vorhandenen Problemstellungen zu finden. Eine der großen Herausforderung für die Beschallung beim Echo 2012 stellte dabei das Design der Bühne und des Zuschauerbereichs dar: um die Distanz zwischen Publikum und Künstlern möglichst gering zu halten, wurde die Zuschauertribüne als Halbrund mit steil ansteigenden Reihen konzipiert.

Neben einem Setup bestehend aus vier Arrays der d&b J-Serie kamen daher zur Versorgung der seitlichen Plätze und des Nahbereichs zusätzliche Systeme der Q-Baureihe zum Einsatz. Zur Erhöhung der Sprachverständlichkeit auf den oberen Tribünenplätzen wurden zudem Delay-Lines aus insgesamt 18xQ7- und 2xQ10-Lautsprechern in den Z-Traversen geflogen. Event Elevator sprach mit Tobi Weiser und dem verantwortlichen System-Techniker Sven Waldheim über die Realisierung des Beschallungskonzepts sowie mit Oliver Voges, der die Show am FoH betreute.

Mit welchem Ansatz seid ihr an die Planung der Beschallung herangegangen?

Sven Waldheim: Grundsätzlich muss die Beschallungsanlage bei einer Veranstaltung wie dem Echo natürlich einerseits in der Lage sein, eine hohe Sprachverständlichkeit auf allen Plätzen zu gewährleisten  und andererseits auch einen druckvollen Sound für die Musik-Acts reproduzieren können. Wir müssen hier in der Breite rund 90 Meter und ca. 30 Meter Tribünentiefe möglichst gleichmäßig versorgen.

Tobi WeiserTobi WeiserTobi Weiser: Wir haben das sozusagen mit einer 6-Punkt-Beschallung realisiert, welche aus vier Hauptsystemen mit je acht Elementen, sowie je zwei Fills für die äußeren Plätze und den Nahbereich besteht. Dabei kommen Lautsprecher der d&b J- und Q-Serie zum Einsatz. Die 25 Subbässe der J-Serie sind gleichmäßig unter der Bühne als Array in einer Linie verteilt. Die zusätzlichen Q7 und Q10 Lautsprecher im Zuschauerbereich fungieren als Delay-Lines, um die Sprachverständlichkeit auf den hinteren Plätzen zu erhöhen.

Gibt es, abgesehen von der Breite des abzudeckenden Bereichs, weitere akustische Schwierigkeiten?

Sven Waldheim: Die Akustik des Messepalais ist im Grunde in Ordnung. Bedingt durch die Fernsehaufzeichnung können wir allerdings die Arrays nicht exakt dort installieren, wo sie akustisch am wirkungsvollsten wären. Wir haben beispielsweise das Array für den Nahbereich geteilt, da wir sonst zu sehr im Bild hängen würden. Zudem verursachen die Scheinwerfer in den Traversen stellenweise Abschattungen im Hochtonbereich, was ich durch EQing und die Delay-Lines wieder kompensieren muss. Dazu kommt noch, dass, bedingt durch den steilen Anstieg der Tribünen, Temperaturunterschiede von bis zu 10 Grad vorhanden sind, was sich ebenfalls im Hochtonbereich bemerkbar macht.

Welche Tools wurden zum Planen und Einmessen des Systems verwendet?

Ergänzend zu den Arrays der d&B J-Serie wurden zusätzliche Q1-Systeme geflogen, um alle Zuschauerplätze optimal versorgen zu könnenErgänzend zu den Arrays der d&B J-Serie wurden zusätzliche Q1-Systeme geflogen, um alle Zuschauerplätze optimal versorgen zu könnenSven Waldheim: Im Vorfeld habe ich die Beschallung mit Hilfe der ArrayCalc-Software von d&b geplant und die Positionen der Arrays ausgewählt. In der Praxis können die Lautsprecher dann natürlich nie in der idealen Linie geflogen werden, sondern müssen da installiert werden, wo Platz ist. Die Änderungen übertrage ich dann vor Ort wieder in ArrayCalc, um Delayzeiten und Phasenlagen direkt ablesen zu können. Zum Messen verwende ich SIM II (Meyer Sound), welches meines Erachtens nach wie vor das beste System ist. Man kann damit beispielsweise die Bässe sehr schön über die Phase an den Rest des Systems anpassen. Da die Entfernungen hier nicht riesig sind, kommt nur ein Messmikro (Wireless mit Sennheiser SKP3000-Sender) zum Einsatz, mit welchem ich an verschiedenen Positionen messe und das Ergebnis dann in SIM II abspeichere.  

Ich sehe hier drei Galileo-Systeme von Meyer Sound…

Tobi Weiser: Wir haben hier am FoH-Platz zwei Pulte, ein Yamaha PM5D-RH und ein Midas PRO2. Über das PM5D werden die Moderatoren- und Laudatorenmikrofone gefahren, über das Midas PRO2 die musikalischen Beiträge gemischt. Um die Ausgangssummen – vom PM5D kommen fünf Summen (L/R, 2x Moderation, 1x Laudatoren), vom Midas drei (L/R/Sub) – individuell auf die einzelnen Beschallungsbereiche verteilen zu können, haben wir uns hier mit den Galileos eine Matrix programmiert, welche dann schließlich 40 Ausgänge verwaltet. 

Sven Waldheim: Was die Verteilung der Signale aus den Pulten betrifft, so gehe ich während der Proben und auch bei der Veranstaltung im Zuschauerbereich herum und korrigiere bei Bedarf die Einstellungen. Durch die Aufteilung der Summen in Sprache und Musik kann man sowohl eine hohe Sprachverständlichkeit als auch einen druckvollen Sound realisieren. Die Galileos verwende ich zusätzlich für technisch notwendige Shelving- und Shape-EQs. Für das Grund-EQing der Systeme nutze ich dagegen einen Dolby Lake-Controller.

Das heißt, ihr greift nicht auf die integrierten DSP-Möglichkeiten der d&b-Verstärker zurück?

Sven Waldheim: Die Delay-Zeiten mache ich direkt in den D12-Amps und ich verwende die R1-Software natürlich zur Fernüberwachung. Ich habe mir dazu ein VPN (Virtual Private Network) über mein Notebook aufgebaut, so dass ich von einem Gerät aus sowohl auf den Dolby Lake als auch auf die Galileos und die d&b-Amps zugreifen kann.

Für die Showacts kam eine Midas Pro2-Konsole nebst Peripherie zum EinsatzFür die Showacts kam eine Midas PRO2-Konsole nebst Peripherie zum EinsatzNochmals kurz zurück zum FoH-Platz. Unter welchen Gesichtspunkten wurden die beiden Mischpultsysteme ausgewählt?

Tobi Weiser: Den Mix für die Moderation und die Sprachbeiträge macht Oliver Voges, der bereits zum 14. Mal bei der Echo-Preisverleihung dabei ist. Er bevorzugt das PM5D aufgrund der Stabilität der Software und der Bedienphilosophie. Für die Musik-Acts haben wir das PRO2 als etwas moderneres und inzwischen auch international akzeptiertes System angeboten – nicht zuletzt, da wir bei der Planung noch nicht im Detail wussten, wer auftreten wird. Am Monitorplatz befindet sich ein ähnliches Setup – PM5D-RH plus Midas PRO6. Abgesehen von Rammstein, die ein eigenes Monitorpult mitbringen,  nutzen die Techniker der anderen Künstler das PRO2 am FoH und das PRO6 als Monitorpult. 

Kommen beim Monitoring InEar-Systeme oder konventionelle Bodenmonitore zum Einsatz?

Tobi Weiser: Beides. Manche Bands, wie „Die Toten Hosen“, wollen den Bühnensound etwas mehr „dirty“ haben und nicht nur über InEar. Neben 20 d&b M4-Monitoren und einem Drumfill gibt es deshalb noch zwei Sidefills, welche aus jeweils sechs Q1-Elementen plus Q-Subs bestehen. Bei den InEar-Strecken haben wir an die 100 Empfänger im Einsatz, so dass die Künstler nicht untereinander tauschen müssen. Das wäre nämlich aufgrund der ohnehin sehr kurzen Umbauzeiten nur schwer zu koordinieren gewesen. Hier müssen zum Teil von zwei Dutzend Helfer Umbauten in weniger als vier Minuten realisiert werden.

Aber es gibt dafür keine 100 Sendestrecken ?

Tobi Weiser: Das wäre ohne weiteres natürlich nicht möglich. Es sind 12 InEar-Sendestrecken vorgesehen, hinzu kommen eventuell noch zusätzliche Strecken, die von den Künstlern selbst eingebracht werden. Zusammen mit kabellosen Mikrofonstrecken und der Kommunikation kommen dennoch ca. 150 Frequenzen zusammen. Die Nähe zum Funkturm und zum RBB verkompliziert die Situation natürlich zusätzlich. Svenja Dunckel und Tom Haubrich, die für das Frequenzmanagement zuständig sind, greifen diesbezüglich neben den bekannten Berechnungs-Tools und der Scan-Funktion der Receiver auch auf Erfahrungswerte zurück.

Interview mit FoH-Engineer Oliver Voges: „Es gibt kaum noch Live-Acts“

Oliver VogesOliver VogesDu bist bereits seit vielen Jahren beim Echo dabei. Was hat sich im Lauf der Jahre geändert?

Oliver Voges: Festzustellen ist, dass es im Grunde kaum noch Live-Acts gibt. Die musikalischen Beiträge werden in der Regel im Halbplaybackverfahren realisiert, wobei das inzwischen fast komplizierter als ein richtiger Live-Act ist. Abgesehen von aufwändiger Deko kommen teilweise richtig viele Einzelspuren am Pult an. Daher haben wir die Pultplätze zwischen Sprache und Musikbeiträgen aufgeteilt. Die Kollegen von der ARD haben auch jeweils einen Ü-Wagen für diese Arbeitsbereiche.

Wie geht ihr mit dem Thema Ausfallsicherheit/Havarie-Lösungen um?

Oliver Voges: Eine Redundanz macht ja nur Sinn, wenn sie den Workflow nicht negativ beeinflusst und wenn sie vollständig ist. Beim letzten Eurovision Song Contest hatten wir alles redundant, wodurch allerdings der FoH-Platz schlussendlich auf eine Größe von 12×8 Metern wuchs. Wir haben hier beim Echo natürlich doppelte PSUs für die Pulte und USVs im Einsatz. Zusätzlich schicken wir an die Ü-Wagen eine Summe und wir bekommen wiederum deren Mischung als Backup aufs Pult, so dass sowohl wir als auch die Kollegen vom Sendeton auf einen ausgefallenen Kabelweg oder Splitpunkt reagieren können. 

Der FoH-Platz ist relativ nahe an der Bühne. War das ein Wunsch von Euch?

Oliver Voges: Nein. Das hat sich wohl durch das geänderte Bühnen/ Tribünenkonzept so ergeben. Die Jahre vorher waren wir teilweise so weit weg, dass wir nur über Bildschirme das Geschehen auf der Bühne verfolgen konnten. Dieses Jahr haben wir zwar sehr gute Sichtverhältnisse, sind aber, was die akustische Beurteilung betrifft, eigentlich zu nah dran.

Equipmentliste Beschallung (Auszug):

Main PA

32 x d&b J8 (4 Cluster)
25 x d&b Jsub als Bassarray unter der Bühne
INFILL / OUTFILL
20 x d&b Q1
2 x d&b Q7
DELAY / FILLER / ZONEN
18 x d&b Q7
2 x d&b Q10
MONITOR
12 x d&b Q1
8 x d&b Qsub
20 x d&b M4
BACKSTAGE
8 x d&b E6
AMPING
80 x d&b D12
3 x R70

DRIVE
3 x Meyer Sound Galileo 616
1 x dolby lake Controller
1 x Apogee BIGBEN Master Wordclock
1 x Meyer Sound SIM II

Pultplätze
2 x Yamaha PM5D-RH
1 x MIDAS PRO2 (FoH)
1 x MIDAS PRO2 (Monitor)
2 x Yamaha o1V96 (kommunikation)


Die Crew

Oli Voges: FOH Sprache, Zuspieler
Tim Ehrenfried: FOH Live
Sven Waldheim: System
Dirk Happel: MON Sprache, Zuspieler
Dirk Pinger: MON Live (Head of Sound)
Svenja Dunkel, Tom Haubrich: Sender
Marco Fußhöller, Max Kunert, Chris Lenz: Mikrofonierung, Wedges
Tobi Weiser, Tobi Kühnel: Stagemanager

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