Beschallung im Theater 3/3 – Mikrofonierung und Livemusik

Stage Tec Aurus Konsole im Deutschen Theater Berlin.

Im dritten und finalen Teil unserer Serie widmet sich Autor Martin Person der Mikrofonierung und der Verstärkung von inszenierungsbezogener Livemusik.

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Sprach- und Gesangsverstärkung mit Lavaliermikrofonen

Im Musicalbereich sind angeschminkte Miniaturmikrofone, bisweilen auch in Form von Headsets, ein de-facto Standard, welcher bei nahezu allen (Neu-)Produktionen zur Erzielung eines stimmigen Klangkonzepts genutzt wird. Dies gilt selbst für Inszenierungen, welche im Low-Budget- oder Amateur-Bereich stattfinden. Aber auch im Bereich Schauspiel nimmt der Einsatz der so genannten Mikroports stetig zu und wird dabei sowohl zur Herstellen der Balance von gesprochenem Text und inszenierungsbegleitender (Live-)Musik als auch – wie erwähnt – als Verfremdungsmittel genutzt.

Im klassischen Opernbereich findet eine durchgängige Stimmverstärkung in der Regel nur aus akustischen, nicht aber klanglichen Gründen statt, beispielsweise bei außerordentlichen Aufführungen an Orten, welche über keine geeigneten akustischen Verhältnisse verfügen (Open-Air). Im Vorfeld einer Inszenierung mit Mikroporteinsatz sind zunächst, auch abhängig vom Genre, einige grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich der Klanggestaltung notwendig, damit ein möglichst gut abgestimmtes Beschallungskonzept entwickelt und umgesetzt, sowie das nachfolgende Signal-Processing von Einzel-, sowie Summensignalen zielgerichtet stattfinden kann. Dabei sollten unter anderem folgende, mitunter sich entgegenstehende Zielsetzungen geprüft werden:

  • maximal notwendiger Pegel bzw. Gain-before-Feedback im Zuschauerbereich
  • maximal notwendiger Pegel bzw. Gain-before-Feedback im Bühnenbereich
  • Wunsch nach richtungsbezogener Beschallung (Ortung der Darsteller)
  • Wunsch nach „natürlichem“ oder „verstärktem“ Klang der Stimme
  • Sprach- und/ oder Gesangsverstärkung
  • mögliche Gefahr von starkem Übersprechen zwischen Darstellern und Band/ Orchester

Zusätzlich können oftmals bereits vor Beginn der Proben mögliche, die Betriebssicherheit betreffende Umstände erörtert und entsprechende Lösungen gefunden werden:

  • Können Mikrofone/ Taschensender im Havariefall während der Vorstellung getauscht werden?
  • Bestehen die Kostüme der Darsteller komplett oder teilweise aus metallischem Material?
  • Wie kann ein Kontakt der Taschensender-Antennen mit Haut und Schweiß vermieden werden?
  • Kommen die Darsteller bzw. deren Mikrofone/ Sender während der Vorstellung mit Flüssigkeiten o.ä. (Wasser, Kunstblut, Schlamm, etc.) in Berührung?

Letztgenannte Problemstellungen lassen sich relativ häufig durch eindeutige Maßnahmen vermindern bzw. vermeiden, da es jeweils eine „technische“, also auch objektiv richtige Lösung gibt. So sollten zunächst Ersatzmikrofone und -sendestrecken, sowie ein zusätzlicher Tontechniker zur Überwachung der Wireless-Systems und dem eventuellen Austausch defekter Komponenten während der Vorstellung zur Verfügung stehen.

Durch Anfertigung spezieller, bei Bedarf wasserdichter Gürteltaschen für die Taschensender können wasser- oder schweißkontaktbedingte Störungen bzw. Ausfälle verhindert werden. Weiterhin sollte auf eine sinnvolle Positionierung von Mikrofonen und Sendern an den Darstellern geachtet werden. Zur Vermeidung von Mikrofondefekten durch eindringenden Körperschweiß, Kunstblut, usw. kann die Schallöffnung der Kapsel beispielsweise nach unten zeigend am Kopf eines Schauspielers/ Sängers angeklebt werden.

Dadurch gelangt einerseits sehr wenig Flüssigkeit von oben an die Schallmembran und fließt andererseits wieder leichter ab. Als weitere Maßnahmen helfen ein kleines unter dem Mikrofonkopf angeklebtes Schaumstoffkissen, sowie in Extremfällen das Abtrennen des Frequenzgangkorrektur-Gitters (der verbleibende „Plastikring“ sollte trotzdem auf die Kapsel aufgesteckt werden), da dieses in der Regel als erstes „verstopft“.

Wesentlich komplexer stellt sich dagegen die Realisierung des selbst oder von der Regie definierten „Ideal-Klangbilds“ dar, zumal oftmals Kompromisse notwendig sind. So kann z.B. eine natürlich klingende, richtungstreue Verstärkung nur bei moderaten Verstärkungspegeln erreicht werden, da die unverstärkten Stimmen der Darsteller als Ortungsquelle dienen müssen und daher die elektroakustische Pegelanhebung nur ca. 10 dB betragen darf.

Eine große Herausforderung sind in diesem Zusammenhang Wechsel zwischen stark verstärkten Gesangspassagen und einer Stützbeschallung während der Sprechszenen. Hier müssen für ein hochwertiges Ergebnis für jedes Lavaliermikrofon sowohl unterschiedliche EQ- und Dynamics-Settings als auch meist zweierlei Ausgangsmatrizierungen auf das Beschallungssystem vorgesehen werden. Zum besseren Handling empfiehlt sich hierbei das Splitten der Eingangskanäle und das Anlegen mehrerer Ausgangsbusse.

Ein dritter Input-Split für jedes Darstellermikrofon ist zudem zur Realisierung eines adäquaten Monitorings für den Bühnen- und Orchesterbereich empfehlenswert, da auch hier oftmals separate Filter- und Kompressionseinstellungen notwendig sind.

Schließlich ist das korrekte Setzen und „Mitfahren“ von Delayzeiten für jedes einzelne Mikrofon in der Regel unumgänglich, da die Darsteller während einer Inszenierung normalerweise den zur Verfügung stehenden Bühnenraum nutzen und nicht nur an der vorderen Portalkante agieren. Bei einer Bühnentiefe von 20 Metern ergeben sich so Schalllaufzeiten zwischen 0 und ca. 60 Millisekunden, welche ohne entsprechende Kompensation auch sehr deutlich hörbar sind.

Bei Open-Air-Veranstaltungen mit hohen Zuschauerzahlen muss ebenso zwingend ein korrekter Richtungsbezug zu den Darstellerpositionen auf der Bühne mittels Laufzeitkorrekturen und eventuell wechselnder Matrizierung der Eingangssignale auf verschiedene Lautsprechersysteme hergestellt werden. Anderweitig lässt sich für einen Großteil des Publikums kein ausreichender Bezug zum Bühnengeschehen realisieren.

Die in beiden Fällen jeweils notwendige, permanente manuelle Korrektur von bisweilen mehr als 10 Lavaliermikrofonen gleichzeitig erfordert eine hohe Konzentration des Operators während der Vorstellung, nicht zuletzt da viele Delays in gängigen Digitalpulten zu Knackgeräuschen bei Änderungen der Verzögerungszeit neigen.

Dies kann durch ein schnelles Nachjustieren der Werte in Sprech-/ Gesangspausen vermieden werden. Abhängig von zusätzlichen Playback-Cues und/ oder Verstärkung von Livemusik sollten deshalb Vorstellungen mit durchgängigem Mikroporteinsatz nach Möglichkeit von zwei Tontechnikern am Pult betreut werden. Leider ist dies an vielen Theatern personell oft nicht leistbar.

Eine Alternative können die seit einiger Zeit verfügbaren „Stagetracker“-Systeme (TTA Stagetracker oder TiMax Tracker) sein, welche die Positionen der Darsteller auf der Bühne mittels kleiner mitgeführter Positionssender erkennen und automatisch passende Delay-, sowie EQ-Settings berechnen. Inwieweit sich diese Technologie in den Repertoire-Theatern als Standard durchsetzen wird, ist momentan aber schwer abzuschätzen.

theaterbschallung aufmacher 1Aurus-Pult von Stage Tec im Deutschen Theater Berlin

Verstärkung von inszenierungsbezogener Livemusik

Wenngleich im klassischen Musiktheater (Oper und Operette) üblicherweise keine elektroakustische Verstärkung des Orchesters eingesetzt wird, bilden die mehrfach erwähnten Freilicht-Events, sowie Aufführungen an akustisch ungeeigneten Orten (z.B. alte Fabrikgebäude) eine Ausnahme. Dabei muss – im Gegensatz zur Mikrofonierung für eine Aufnahme – in der Regel mit Close-Miking gearbeitet werden. Nur so kann das benötigte Gain-before-Feedback realisiert bzw. ein zu indifferentes Klangbild vermieden werden. Abhängig vom zeitlich leistbaren bzw. auch finanziell möglichem Aufwand werden entweder die jeweiligen Instrumentengruppen oder aber alle Spieler einzeln mikrofoniert. Ein guter, oftmals praktizierter Kompromiss ist die Verwendung von Gruppenmikrofonen plus die Einzelabnahme von Solisten und gegebenenfalls Schlagwerk.

Klangästhetisch steht bei der Übertragung von Orchestern selbstredend ein möglichst neutraler Sound unter Wahrung von Panorama- und Pegelverhältnissen im Vordergrund. Die Kompensation von Nahbesprechungseffekten mittels EQ und die Zugabe von künstlichem Nachhall zur Wiederherstellung eines homogenen Gesamteindrucks ist meist notwendig. Die Transparenz der Gesamtmischung kann oftmals durch eine gegenüber den Gesangsstimmen veränderte Matrizierung der Orchestersumme auf die PA (z.B. reduzierter Pegel auf dem Center-Cluster) erhöht werden.

Bei Musicals ist aufgrund der im Regelfall deutlich geringeren Anzahl live spielender Musiker, sowie den mehr oder weniger starken stilistischen Anleihen aus dem Rock-/ Popbereich eine durchgängige Verstärkung aller Instrumente üblich und zur Realisierung der gewohnten Sounddesign-Qualität auch notwendig. Je nach vorherrschendem musikalischen Stil und Besetzung des Orchestergrabens (bzw. auch der Bühne) eignet sich hierbei oft eine Mischform aus oben erwähnter Orchestermikrofonierung und aus der Konzertbeschallung bekannten Abnahmetechniken von beispielsweise Drums oder Gitarrenverstärkern. Fallabhängig können und sollen dennoch theatertypische Gestaltungsmittel, wie die Herstellung korrekter Richtungsbezüge mittels Delays, zum Einsatz kommen.

Während sowohl bei Oper als auch Musical eine klare und permanente Präsenz der Musik selbstverständlich ist, muss im Bereich Schauspiel situativ unterschieden werden. Hier kann auch bei Livemusik die dramaturgische Rolle von der Vertonung von Aktwechseln über die Handlung vorantreibende bzw. unterbrechende Songs bis hin zu stimmungserzeugender Untermalung der Szenen reichen.

Abhängig von Art und Besetzung des agierenden Musikensembles liegt demnach die Hauptaufgabe meist in der Gestaltung eines zum Rest der Inszenierung passenden Beschallungspegels, welcher verständlicherweise bei hintergründiger Szenenmusik relativ gering, aber unter Umständen dennoch „kraftvoll“ sein muss. Aber auch bei Zwischenmusiken bzw. Songs soll oftmals zwar eine hohe Lautheit, aber möglichst keine zu hohe Lautstärke realisiert werden, da andernfalls nachfolgende, unverstärkte Sprechszenen in ein „akustisches Loch“ fallen würden.

Aus technischer Sicht muss zur Umsetzung dieses Ziels zunächst ein möglichst geringer Eigenpegel der Musiker vorherrschen. Hier können verschiedene Maßnahmen Erfolg bringen. Neben der Verwendung von z.B. elektrischen Drums oder Pianos anstelle von herkömmlichen Instrumenten, wirken diverse akustische Maßnahmen (z.B. Aushang der Bühne mit Molton) oder auch schlicht der Austausch von Schlagzeugfellen und -becken gegen so genannte „Studio“-Varianten oft Wunder.

Weiterhin ist es sinnvoll, das Monitoring auf der Bühne als Post-Fader-Mischung anzulegen, um ein ständiges Kippen des Klangbilds zur Bühne bzw. wieder zurück auf die PA beim Fahren von Dynamikverläufen am Mischpult zu verhindern.

Gleichzeitig wird auf diese Weise den Darstellern und Musikern eine bessere Einschätzung des „akustischen Gesamtbilds“ (Verhältnis Musik und Sprache) im Zuschauerbereich ermöglicht. Je nach Positionierung der Musiker auf der Bühne sollte auch hier auf eine entsprechende, eventuell dynamisch mitzufahrende Laufzeitkorrektur zwischen PA und Eigensignal der Instrumente geachtet werden. Diverse Möglichkeiten der Dynamikbearbeitung von Einzel- und Summensignalen zur Erhöhung des Lautheitseindrucks (nicht der Lautstärke) sind heutzutage, auch dank der Plug-in-Technologie, umfangreich verfügbar und können entsprechend genutzt werden.

Zur Gestaltung eines voluminöseren Bassbereichs bei geringen Beschallungspegeln erweist sich zudem in vielen Fällen die Erweiterung tieffrequenter Klanganteile mittels Pitch-Shifter/ Oktaver bei Instrumenten wie Bassgitarre, Kontrabass oder auch Keyboards als vorteilhaft. 

Schlussfolgerung

Der direkte Vergleich zwischen Konzert- und Theaterbeschallungskonzepten zeigt deutlich unterschiedliche Herangehensweisen, aber auch einige Schnittmengen. Es ist anzunehmen, dass zukünftig die Grenzen weiter aufgeweicht werden. Während in den Opern- und Schauspielhäuser bei einer Vielzahl von Inszenierungen die Mikrofonierungs- und Beschallungstechniken aus dem Konzertbereich angewendet werden, rücken umgekehrt bei konzertanten Aufführungen verschiedener Genres, aber auch im Bereich Messe, Museum und Industrie theatertypische Klangideale, wie korrekter Richtungsbezug, Surroundsound oder eine dezente, nahezu unhörbare Verstärkung, zunehmend in den Fokus.

Mit der heutigen Leistungsfähigkeit von Digitalmischpulten und Lautsprechersystemen, aber auch durch zukünftige Entwicklungen, beispielsweise im Bereich 3D-Audio, stehen die Werkzeuge zur Verfügung, um dem jeweils idealen Sounddesign noch ein Stückchen näher zu kommen.

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